Andachten
Hier finden Sie Andachten, die im Rahmen von verschiedenen Veranstaltungen gehalten wurden oder im Gemeindebrief abgedruckt waren. Je nach zeitlichem Abstand der Veranstaltungen kann die Veröffentlichung neuer Andachten etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen.
»Wir brauchen Rettungsgassen«.
Wer im Sommer mit dem Auto in den Urlaub unterwegs war, ist wo-möglich in einen Stau geraten. Das Gesetz schreibt dann vor, unver-züglich eine Rettungsgasse zu bilden. Häufig wird auf Anzeigetafeln über der Autobahn eigens dazu aufgefordert.
Doch ehe jemand dem Folge leistet, muß er zuvor das Bedürfnis dazu erkennen. Selbst, wer in eine Sackgasse geraten ist, wird nicht so-gleich bereit sein, das anzuerkennen. ‘Irgendwo muß es hier doch weitergehen’. Umkehr fällt uns schwer. Bereits das Bilden einer Rettungsgasse stockt häufig. Einzelne schlagen aus der Art, geraten aus der Spur, suchen ihr Heil im Befahren der Rettungsgasse oder des Standstreifens.
»Wir brauchen Rettungsgassen«, singt Heinz Rudolf Kunze in ‘Die Dunkelheit hat nicht das letzte Wort’. Sein Lied führt auf, in welchen Zeiten wir leben, wie verletzt und bedroht das Leben gerade ist. Es verspricht keine einfachen Lösungen, ruft nicht den Weltuntergang aus, nur die Anerkenntnis: »Wir brauchen Rettungsgassen«. Gerade jetzt!
Damit der Helfer, der Retter, unverzüglich durchkommt dorthin, wo er benötigt wird. Unvorstellbar daß ein Christ mit einem ‘Ich muß jetzt auch mal an mich denken’ die Hilfe blockiert und eigenwillig ausschert. Weder auf der Autobahn noch auf der Bahn, welche die gute Botschaft vom Retter Jesus Christus nimmt. Die nötiger als alles ist in diesen Zeiten. Nicht erst zu Advent und Weihnachten, wenn wir hören: ‘Die Hilfe ist schon unterwegs’. Auch im Sommer- oder Herbststau wird sie dringend benötigt. »Wir brauchen Rettungsgassen«.
Verbundene Leben
Die Bildungs-Misere ist bei der ARD eingezogen. Neulich war in den Fernsehnachrichten um 20:00 Uhr diese Bildunterschrift zu lesen:
»Aufklärungs-Forderungen
in „Taurus“-Abhöraffäre
Wird nicht die Anstalten-Leitung aktiv, verliert die Tages-Schau ihren Führungs-Anspruch. Ich ziehe jedenfalls meine Liebes-Erklärungen an sie zurück.
Die zertrennende Bindestrichschreibung hat sich eingebürgert. Man hat es ihr aber auch leichter gemacht als vielen Mitbürgern, denen dauerhaftes Bleiberecht oder die volle Zugehörigkeit lange versagt blieb und neuerdings in Zweifel gezogen wird. Ich befürchte, daß das Überhandnehmen dieses Binde-Striches ihn zwangsläufig zu einem Trennungs-Zeichen werden läßt.
Der Glaube tritt ein für verbundene Leben, die Bibel nennt als Mittel dazu das »Band des Friedens«.
Ist es so schwer auszuhalten, daß wir als Gesellschaft eine aus vielen Menschen – mit unterschiedlichen Herkünften, Charakteren, ethnischen und religiösen Zugehörigkeiten – zusammengesetzte Zusammengehörigkeit genießen? Soll alles in seine Bestandteile aufgespalten und an seine einstigen Plätze zurückgeführt werden?
Wir sind wie zusammengesetzte Wörter Zusammengefügte. Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht trennen, wird gelegentlich angemahnt. Positiv gewendet heißt das: »Seid fleißig, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens«.
Verbundenheit, Bindung befördert Einigkeit! Und die ist Geistessache. Geistlos – isoliert – wäre eine Liebe, von ihrer Erklärung getrennt. Liebe begehrt, schafft verbundene Leben.
Pastor Alberto Kaas
Mit Lust und Liebe
(Andacht beim Gemeindetag in Drögennindorf)
Aus Glauben leben, das hat auch mit Lust und Liebe zu tun, mit Liebe und Lust. Führt etwa Gottes Lust zu (meiner) Gottesliebe? Darauf könnten die Verse hindeuten, die sich wie ein Rahmen um einen Teil von Psalm 18 legen: Der HERR »führte mich hinaus ins Weite, er riß mich heraus; denn er hatte Lust zu mir« (Vers 20) und »Herzlich lieb habe ich dich, HERR«. (Vers 2)
Gott darf Lust haben. Dem Menschen wird sie meist angekreidet, als böse Lust, als »des Fleisches und der Augen Lust«, wie Luther ei-ne Stelle im 1. Johannesbrief übersetzt. Hätte er hier das Wort Begier-de gewählt, hätte er uns die Lust nicht verdorben. Aber Luther bevor-zugt die leicht merkbaren einsilbigen Wörter.
Doch die Lieder unserer Gesangbücher lieben es ganz lustbetont: Sie kennen die Himmelslust. Sie gestatten gar die Herzenslust, wenn sie an Gott und sein Lob gewendet wird.
Paul Gerhard läßt im Lied »Geh aus, mein Herz, und suche Freud« den Sommer in Schöpfung und Erlösung ein wahres Lustspiel auffüh-ren. Im Sommer, da ist es eine Lust zu leben. Lust, sagt ein Wörter-buch, ist eine intensiv angenehme Weise des Erlebens. Und die muß sich kundtun:
»Die Bächlein rauschen in dem Sand / und malen sich an ihrem Rand / mit schattenreichen Myrten; / die Wiesen liegen hart dabei / und klingen ganz vom Lustgeschrei / der Schaf und ihrer Hir-ten.«
Zeigen uns schon auf irdischen Spaziergängen die Gärten, Bäche, Bäume, Wiesen und Wälder, Äcker und Felder Gottes Schöpfung, in der wir jetzt leben, als einen Lustgarten, so muß erst recht seine neue Schöpfung ein Lustgarten sein, erfüllt vom Lustgeschrei der Himm-lischen:
»Welch hohe Lust, welch heller Schein / wird wohl in Christi Gar-ten sein! / Wie muß es da wohl klingen, / da so viel tausend Sera-phim / mit unverdroßnem Mund und Stimm / ihr Halleluja singen.«
Wenn ich mit Lust und Liebe bei der Sache bin, mache ich etwas richtig gern. Oder wenn mich die Lust zu Personen hinführt. Gott hat Lust auf seine Menschen, er hat Lust auf dich, auf mich.
»Er führte mich hinaus ins Weite,
er riß mich heraus; denn er hatte Lust zu mir.«
Andere übersetzen »weil er Gefallen an mir hatte« oder »Ja, er hat-te Freude an mir« oder auch »Denn er hatte mich lieb!«
Es war in ihm ein so starker Drang, daß er durchdringt bis zu mir in meiner Enge und Lebensangst. Er fühlte sich hingezogen zu mir, vol-ler Zuneigung drang er ein in mein Gefängnis, setzte mich frei und sagte: mit Vergnügen. Das hab‘ ich gern für dich gemacht – aus ganz eigenem, innerem Antrieb. Weil ich dich mag und es als angenehm empfinde, dich um mich zu haben. Du gefällst mir gut.
Gottes Liebe, seine Menschenlust engt nicht ein, sie setzt frei, führt mich hinaus ins Weite: Ja, es ist eine Lust zu leben.
Gottes Lust auf mich, in der er mich für sich befreit hat, erweckt in mir Liebe zu ihm. Ich fühle mich zu ihm hingezogen, denn ich erkenne, daß alles, was mir fehlt, wessen ich bedarf, ich in ihm habe:
»Herzlich lieb habe ich dich, HERR, meine Stärke!«
Wir haben »herzlich lieb«, haben die Liebe im Herzen. Nicht die Bi-bel: Dort steckt die Liebe in den Eingeweiden. Ist ein Bauchgefühl. Ein mütterliches Empfinden: Im Mutterschoß hat die Liebe ihren Ursprung und Ort. Hier macht sie sich bemerkbar, hier rumort sie. Erzeugt hier dieses wohlige Gefühl: ich bin angenommen, geborgen, gut aufgeho-ben; bin stark, geschützt, geführt, denn ich bin geliebt. Gott ist mein Ein und Alles!
Herzlich lieb habe ich dich, HERR, meine Stärke!
HERR, mein Fels, meine Burg, mein Erretter;
mein Gott, mein Hort, auf den ich traue,
mein Schild und Horn meines Heils und mein Schutz!
Eine Buchempfehlung
Was geschieht, geht Dich an!
Gerade einmal 14 Jahre alt ist Albrecht Goes 1922 und wieder in Berlin – vielleicht um seine Großmutter in Steglitz zu besuchen, bei welcher er nach dem frühen Tod der Mutter von 1915 bis 1919 gelebt hatte.
Später als Vierundfünfzigjähriger erinnert er daran: »Ich denke ge-nau vierzig Jahre zurück an den Junitag des Jahres 1922, es ist mir, als sei es gestern gewesen, an die Schüsse, die Walther Rathenau in Berlin getroffen hatten, und es war dafür gesorgt, daß der durch diese Schüsse aufgeschreckte Sinn nicht mehr zur Ruhe kam.«
Fünf Wochen später sei er »in Berlin ausgestiegen, am Anhalter Bahnhof und hätte, noch bevor er ‚Grüß Gott‘ oder ‚Guten Tag‘ oder ‚Guten Morgen‘ sagte, gefragt, ‚Wo ist Rathenaus Grab?‘ So stark muß das also auf den Buben, ich war damals 14, gewirkt haben.«
Wie eine Schlußfolgerung aus dieser Erfahrung sagt er andernorts: »Als 1922 Rathenau ermordet worden war, sah ich mich auf eine Fährte gesetzt, der ich nachgehen mußte. Ein Ton kam zum Klingen, der nicht mehr verstummte: Was geschieht, geht dich an.«
Den letzten Satz hat Jürgen Israel als Titel seines kleinen Buches gewählt, mit welchem er uns Albrecht Goes (1908-2000) näherbringen will: den Pfarrer, Schriftsteller sowie Musik-, vor allem Mozartliebhaber und wachen politischen Menschen.
Es sind zwei Morde, die dem Denken und Wirken Albrecht Goes‘ eine eindeutige Richtung gaben: die Ermordung von Reichsaußen-minister Walther Rathenau im Jahr 1922 in Berlin-Grunewald und der Mord an den europäischen Juden durch das nationalsozialistische Regime und seine Helfer.
Als Albrecht Goes im März 1942 als Lazarett- und Gefängnispfarrer nach Winniza in der Westukraine kommt, waren dort sechs Monate zuvor bereits 10.000 Personen getötet worden. Im April 1942 dann werden nach einer Selektion etwa 5000 jüdische Mitbürger – Alte, Frauen und Kinder – unter deutscher Aufsicht von den ukrainischen Hilfstruppen umgebracht.
Beides wird Albrecht Goes nicht verborgen geblieben sein.
So kann Jürgen Israel feststellen:
»Was das Werk von Albrecht Goes unverwechselbar gemacht, ihm Tiefe, Entschiedenheit, Eindringlichkeit und Bedeutung über die zeit-genössische bürgerlich-humanistische Literatur hinaus verliehen und weit über Deutschland hinaus bekannt gemacht hat, ist das jüdische Schicksal.«
Jürgen Israel sieht es geradezu als das »bleibende Verdienst des Dichters Albrecht Goes, daß er als erster deutscher nicht-jüdischer Schriftsteller belletristisch über die Schoa geschrieben hat.«
Dies tat er überwiegend und am wirkungsvollsten in kurzen Erzäh-lungen: bereits 1949 in Unruhige Nacht, welche seinen Ruhm begrün-dete. Es folgten 1954 Das Brandopfer, dann Das Löffelchen 1963/64 und im Jahr 1984 Die Sache mit Katz.
In seiner Annäherung genannten Biographie stellt Jürgen Israel die für Goes‘ Kindheit bedeutsamen Einflüsse dar (Kapitel 1), widmet sich dessen theologischem Bildungsweg und den dabei empfangenen Prägungen (2). Auf die Darlegung erster Arbeiten als Pfarrer und Au-tor (3) folgt die Schilderung der Zeit ab dem 10. Mai 1940, der Einbe-rufung von Albrecht Goes zur Wehrmacht (4). Der literarischen Verar-beitung der Kriegserfahrungen bereits 1945, auch in Auseinanderset-zung mit seiner Beheimatung in der schwäbischen Herkunft und Land-schaft sowie dem Humanismus, ist das 5. Kapitel vorbehalten.
Vornehmlich geht es dabei um das Versagen des ererbten Huma-nismus, von Israel belegt durch ein Zitat von Albrecht Goes: »daß dieser unser schöner Humanismus nicht verhindert hat, daß Treblinka und Auschwitz möglich wurden.«
Jürgen Israel selbst formuliert es desillusioniert als »Frage, wieso das Volk mit den größten Musikern und mit sehr großen Dichtern den Zweiten Weltkrieg auslösen und vor allem die Ermordung der europäi-schen Juden ohne großen Widerstand planen und durchführen konn-te.«
Nachdem der Autor ausführlich Unruhige Nacht, die berühmteste Erzählung von Goes, wiedergegeben hat (6), wendet er sich den Pre-digten, dem Predigen und Predigtlehrer Albrecht Goes zu (7). Auch die zweite große Erzählung Das Brandopfer erhält ein eigenes Kapitel (8).
Das 9. Kapitel bespricht Albrecht Goes‘ Verhältnis zum Judentum. Das 10. geht auf den politisch anteilnehmenden und teilnehmenden Zeitgenossen Albrecht Goes ein, das letzte (11) ausführlich auf des-sen Dichtung.
Obwohl an einem Sonntag Okuli geboren, seien bei ihm, meint Goes, nicht die Augen, sondern das Ohr das ausgebildete, erfahrene Organ. Das Ohr hat den zum Klingen gekommenen und nicht mehr verstummten Ton, »Was geschieht, geht dich an«, aufgenommen. Wie Goes ihn umgesetzt hat, das bringt uns Jürgen Israel mit seinem feinen, wohlkomponierten Buch nahe.
Alberto Kaas
Jürgen Israel, »Was geschieht, geht Dich an! Annäherung an Al-brecht Goes (1908-2000)«, erschienen im AphorismA Verlag, Berlin 2023.
Unfaßbar, ansprechbar
Mittlerweile begehen wir Jahrestage von Terroranschlägen, Naturkatastrophen, Seuchen – und nun erneut den eines Krieges; legen damit den Ereignissen ein großes Gewicht bei. Daneben verblaßt das jährlich Wiederkehrende. Himmelfahrt, das Fest im Mai, gewährt mitten im Jahr einen freien Tag mitten in der Woche – doch sein Sinn scheint keinen mehr zu betreffen.
Dabei müßte doch Einer fürs Ganze zuständig sein. Alles im Blick haben. Bei dem Gegeneinander der Völker und Inter-essen auf Erden. Wir sehen nur, wie verworren und unklar die Lage ist in den vielen Konflikten, die sich auf großer Bühne abspielen oder im Kleinen zutragen. Wenn bloß einer drüberstünde!
Gern gehen wir für unsere Himmelfahrtsgottesdienste ins Freie, der Jahreszeit und dem Thema angemessen: »Also wie, sollte wirklich Gott auf Erden wohnen? Ja die Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen…« (1Kön 8)
Das sollten wir uns gönnen in einer Welt, die der Machbar-keit huldigt und das Schwere bedenkend beschwert: ein Staunen über den unfaßbaren Gott, der nicht zu begreifen, festzuhalten, einzuschließen ist.
Auch nicht eingeschlossen ist in unsere Händel und Pro-bleme, in denen wir uns unzertrennlich ineinander verhakt haben. – Sich aber als Mensch hineinbegeben hatte, um sie aufzulösen, uns herauszulösen, als Freie an sich zu binden. Der hat nun das Ganze ‘unter sich’, im Blick und auf dem Herzen. Bei dieser Verantwortung sollten wir ihn nehmen. Ihn darauf ansprechen: »Es gibt keinen wie dich, Gott.« Auch unser Redebedarf ist unfaßbar, groß.
Gespräche auf Reisen
Oktober ist Herbstferienzeit, ist Reisezeit. Wenn einer eine Reise tut, kann er was erzählen. Aber unterwegs, auf Reisen – wie ist es da um den Redefluß bestellt?
Martin Luther hat als junger Mönch eine große Auslands-reise unternommen. Sie führte ihn zusammen mit einem Ordensbruder nach Rom. Schweigend ging man zu Fuß seines Weges: den Kopf gesenkt, den Mund geschlossen.
Noch im 19. Jahrhundert waren Kutschreisen eher gesprächstötend. Man hielt besser den Mund, trieb keine Konversation. Denn bei den holprigen Wegen damals be-stand die Gefahr, sich die Zunge abzubeißen.
Dabei gehören Gespräche auf Reisen zum Schönsten am Unterwegssein. Selten sind sie geplant und vorbereitet. Oft gerät man in Zufallsreisegesellschaften, wenn man mit der Bahn oder dem Fernbus durch die Lande fährt.
Eine Frage des Gegenübers, ein Gegenstand, den er mit sich führt, ein Verhalten löst die Zunge – und man gerät in einen tiefgehenden Austausch, der uns noch lange als beglückend in Erinnerung bleibt und bewegt.
Vom Leben für einen Moment zufällig zusammengeführte Menschen kommen sich nahe. Oder einander vertraute er-leben eine Zeit der Aufgeschlossenheit füreinander, wie sie sich im Alltag so nicht einstellte. Unbeabsichtigte, gelunge-ne Gespräche auf Reisen sind einzigartige Geschenke.
Im Urlaub bemerken wir an anderen wie an uns eine eigentümliche Aufgeschlossenheit für Gott als Wunsch-Gesprächspartner. Vielleicht macht es auch ihm gerade dann besonders Freude, sich zu einem lebensbewegenden Austausch zu uns zu gesellen. Er ist da, für uns ansprech-bar. Ergreifen wir die Chance, uns zu ihm auf die Bank zu setzen!
Alberto Kaas
Von Frieden und bestem Weizen
»Der Weizen
wächset mit Ge-
walt.«
Der Weizen wächset mit Gewalt;
darüber jauchzet jung und alt
und rühmt die große Güte
des, der so überflüssig labt
und mit so manchem Gut begabt
das menschliche Gemüte.
Paul Gerhardt nimmt uns mit hinein in die erlebte Gegenwart des Sommers. Das Wort umfaßte damals auch die Jahreszeit Früh-ling. Gerhardt läßt uns die explosionsartige Entwicklung des Weizens, dessen kraftvolles Wachstum miterleben.
Die verborgene Energie »des, der« solches bewirkt und uns damit nicht nur Sättigung ermöglicht, sondern im Überfluß »labt«, setzt bei uns die mächtigste Energie frei, die es geben kann: Lebensfreude und das Loben Gottes.
Was aber, wenn der Blick aufs Feld nur vertrocknetes Getreide zeigt?
Trockenheit zusammen mit extremen Temperaturen bedeutet schlechte Erträge und Ernteeinbußen für die Erzeuger, bringt Nahrungsmittelmangel, der sich derzeit vielerorts noch ver-schärft, dadurch daß es bislang nur eingeschränkte Ausfuhrmög-lichkeiten für ukrainisches Getreide gibt. Dies führt zu Versor-gungsengpässen und Preissteigerungen, schürt besonders die Not der Ärmsten.
»Weizen ist eine der wichtigsten Grundnahrungspflanzen, da sie weltweit am häufigsten angebaut wird. Das meistgehandelte Grundnahrungsmittel der Welt liefert mehr als 20 Prozent der gesamten menschlichen Kalorien- und Proteinzufuhr.«1
Schon zur Zeit Jesu – schreibt ein Ausleger im Jahre 1984 – war man in Kleinasien »für die Getreideversorgung auf Importe an-gewiesen, vor allem aus dem Gebiet des heutigen Südrußland. Im Falle von Krieg und inneren Unruhen, die die Importwege abschnitten, war also zuallererst eine Verknappung von Getreide zu befürchten, die sich, weil sie das Grundnahrungsmittel der ärmeren Bevölkerungsschicht betraf, besonders verhängnisvoll auswirken mußte.«2
In der Offenbarung des Johannes findet sich dann diese Vision (6,5-6):
»Als das dritte Siegel geöffnet wurde, hörte ich das dritte Tier rufen: >Komm!< Nun sah ich ein schwarzes Pferd, dessen Reiter eine Waage in der Hand hielt. Und ich vernahm einen Ruf aus der Mitte der vier Tiere: >Ein Kilo Weizen einen Denar! Drei Kilo Gerste einen Denar! Öl und Wein sollen nicht im Preis steigen<.«3
Für eine Tagesration Weizen mußte ein Tagelohn aufgewendet werden. Dafür gab es stattdessen auch drei Tagesrationen Gerste. Weizen, das ergiebigere Getreide, war also dreimal so wertvoll wie Gerste. Man schätzt, daß Getreidepreise in solcher Höhe etwa das Zehnfache des damaligen Durchschnittspreises darstellten. Teuerungen spiegeln sich also in der Erhöhung des Weizenpreises, was eine Not vor allem der ärmeren Bevöl-kerungsgruppen zur Folge hatte. Denn:
»Die große Masse der Bevölkerung ernährte sich hauptsächlich von Mehlkost (entweder in Form eines aus Gerstenmehl mit Wasser gekochten Breies oder mit aus Weizenmehl gebacke-nem Brot).«4
Die Waage, welche in der Vision auftaucht, steht als Zeichen für die Knappheit dieser so wichtigen Lebensmittel; ihr »Ge-brauch signalisiert: Nun kommt es auf jedes Gramm an.«5
Man kann dies nicht bedenken und niederschreiben, ohne daraufhin sogleich mit einer Spende etwa an ‘Brot für die Welt’ die vom Hunger Betroffenen zu unterstützen.
Denn noch läßt Gott, der »mit so manchem Gut begabt das menschliche Gemüte«, die Not nicht weltweit, nicht übergroß und unüberwindlich werden. Er hält den Schaden in Grenzen und kann auch uns dazu einsetzen: durch Verzicht, durch sparsa-meren Umgang mit Lebensmitteln, durch finanzielle Hilfe für die Notleidenden. Und durch kluge Entscheidungen politischer Insti-tutionen, welche den Landwirten den Raum zum Arbeiten lassen, der es ihnen weiterhin ermöglicht, rentabel gesunde Lebens-mittel zu erzeugen.
Die Voraussetzung dafür ist neben förderlicher Witterung der lebensfördernde Frieden, von dem wir als große Gottes Gabe abhängen.
Ein Wort in Psalm 147,14 macht aufmerksam darauf, daß bei-des zusammengehört und beides von Gott kommt und uns gege-ben wird: der Friede und (damit die Möglichkeit, ausreichend) Nahrung (zu produzieren und zu verteilen): »Er schafft deinen Grenzen Frieden und sättigt dich mit dem besten Weizen.«
Die Weizenernte erbrachte in diesem Jahr etwas höhere Er-träge bei schlechterer Qualität. Umso angemessener und nötiger ist‘s, daß wir immer ab dem Sonntag Rogate bitten »Gib gutes Wetter für die Saat auf den Feldern«6. Und um Frieden bitten. Und uns bei unserem Erntedank hineinnehmen lassen in das Staunen Paul Gerhardts über die gewaltige Kraft, die Gott im Wachstum des Getreides wirken läßt. – Uns zur Lebensfreude und zum Lob
des, der so überflüssig labt
und mit so manchem Gut begabt
das menschliche Gemüte.
Alberto Kaas
Die Angaben stammen aus diesen Quellen:
1Aus einer Meldung des Epd vom 1.7.22
2Jürgen Roloff, Die Offenbarung des Johannes; ZBK.NT 18, Zürich 1984, 19872
3Klaus Berger, Die Apokalypse des Johannes. Kommentar, Freiburg im Breisgau 2017
4H. Bolkestein bei Klaus Berger, a.a.O.
5Martin Karrer, Unfaßbares entdecken, Texte zur Bibel 10, Neukirchen-Vluyn 1994
6Evangelisch-Lutherische
Kirchenagende I
»Gen Himmel aufgefahren ist…«
Abheben. Aufgehoben werden in den Himmel. Ballonfahrer sind Luftfahrer. Sind sie auch Himmelfahrer?
Ist das eine Frage des Blickwinkels? Auf dem Bild hängen noch viele Ballons ziemlich dicht überm Boden. Die Körbe scheinen vollbesetzt zu sein – gar übervoll?
Es gibt einige Ausreißer. Ihnen ist es schon gelungen, daß sie in das Luftmeer entschweben und den anderen davonfahren.
Die Himmelfahrt Christi kommt ganz ohne Fahrzeuge aus, braucht we-der Raumschiff noch Aufzug. Ist keineLuftfahrtunternehmung. Eine Be-förderung völlig ohne Transportgerät – zur einflußreichsten Stellung im Universum; ein Aufstieg ohne die Mühen der Karriereleiter – zu Gott, wohin sonst kein Mensch gelangt. Doch der nun in die Herrscherposi-tion zur Rechten Gottes eingesetzt wird, ist nicht abgehoben. Hat unser Leben auf Staubniveau geteilt, das Leid und die Schuld, die ganze ver-fahrene menschliche Situation auf sich genommen. Kennt, was unser irdisches Schicksal ausmacht. Und erhebt sich nicht über die Kleinen, die Niedrigen, oder die, welche unterliegen und von den Siegern liegengelassen werden.
[Schlimmer noch, wenn dies von den eigenen Leuten geschieht. Die russischen Soldaten, so ist zu lesen, haben sich im Ukrainekrieg we-der ihrer verwundeten Kameraden angenommen und sie versorgt noch ihre toten geborgen. Wenn das die Werte sind, die gegen den Westen geschützt werden sollen, was sind die dann wert?]
Christus, der in den Himmel erhöht, zu Gott erhöht wurde, genießt nun nicht den Ausblick, was ihm jeder mitfühlende Mensch wohl gönnen würde. Man mag sich kaum ausmalen, was er (wie wir sagen würden) »von da oben« alles zu sehen bekommt.
Christi Himmelfahrt ist nicht das Vorbild für die Weltraumausflüge der Superreichen, sondern ist seine Einsetzung in umfassende Verant-wortung. Ich fürchte, da werden nicht unendlich viele Glückshormone ausgeschüttet, weil die Aussicht so herrlich ist. Sein Teilhaben an der Herrschaft Gottes wird ihm eher an die Nieren gehen, so wie es dem irdischen, an unserem Ergehen teilnehmenden Jesus an die Einge-weide ging, innerlich zerriß, wenn er menschliche Not wahrnahm.
Wir haben einen, der auf uns schaut. Dem wir nicht egal sind. Der nun auch unbegrenzten Einfluß hat. Der Machtverhältnisse umkehren, Schicksale ändern kann.
Was dem Ballonfahrer während seiner 60-90minütigen Fahrt durch den Kopf gehen mag, kann man vielleicht nachempfinden.
Was die Veränderung, welche durch Christi Himmelfahrt eingetreten ist, ihm eingebracht hat, läßt sich nur mit Psalmworten nachsprechen:
Der HERR ist hoch über alle Völker; / seine Herrlichkeit reicht, so weit der Himmel ist.
Wer ist wie der HERR, unser Gott, / der oben thront in der Höhe,
der herniederschaut in die Tiefe, / auf Himmel und Erde;
der den Geringen aufrichtet aus dem Staube / und erhöht den Armen aus dem Schmutz,
daß er ihn setze neben die Fürsten, / neben die Fürsten seines Volkes.
Das sollte weltweit anerkannt werden:
Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang / sei gelobet der Name des HERRN!
Alberto Kaas
Hölle und Himmel (in Heide) - eine Hilfe zur Orientierung
Die Hölle liegt links. Und sie ist zu. Sie ist dicht – und dicht bebaut, Haus an Haus. Wir lassen sie links liegen, wenn wir im schleswig-hol-steinischen Heide den Parkplatz des Bekleidungshauses Ramelow in vorgeschriebener Richtung verlassen. Die Hölle liegt links und sie ist dicht, man kommt nicht hinein. Darf nicht hineinfahren.
Der Weg führt geradeaus geradezu ins Paradiesische. Eine schöne Parkanlage ist es, auf die man zuhält. Bäume, Sträucher, Wasser, Bänke, alles lädt zum Verweilen ein, dazu sich dort niederzulassen. Warum eigentlich tun wir’s nicht und fahren jedesmal am Paradies vorbei?
In die Hölle kommt man, wenn man will, auf dem Hinwege leicht hinein. Nur wenden darf man nicht; es handelt sich bei ihr um eine Einbahnstraße. Sie ist nur kurz. Ob es sich dabei um ein Vergnügen handelt, weiß ich nicht. Wer aus ihr heraus will, hat es zugleich leicht und schwer. Er muß sie bis zum Ende durchfahren (durchleben), nur die Straße queren, auf der wir aus der Stadt hinausfahren, und schon landet er im Himmelreich. Besser in der »Himmelreichsstraße«.
In sie einzuscheren, bringt Verlust mit sich; man müßte das Auto stehenlassen und sogleich mit Verlassen der Hölle auch aus der Welt schaffen. Denn der Weg, der nach dem Himmelreich benannt ist, ist zunächst eine enge Spielstraße, nur für Fußgänger begeh- und erleb-bar. Dann zwischen zwei Häuserblöcken weitet sie sich. Das ahnt man zuerst nicht, muß man wissen und erleben. Sonst überwiegt der vorherrschende Eindruck der Enge.
Die Himmelreichsstraße liegt rechts. Um in sie hineinzulangen, braucht es Verzicht. Wir aber sind motorisiert. Und wollen raus aus der Stadt. Heide hat so viel denn auch nicht zu bieten. Wir lassen die Him-melreichsstraße immer rechts liegen. Dieser Verlust ist zu verschmer-zen. Es geht ja Richtung Paradies. Aber warum nur fahren wir jedesmal daran vorbei – und verweilen nicht?
Die Himmelreichsstraße führt auf den Marktplatz, den größten in Norddeutschland. Das Himmelreich endet nicht in Isolation, sondern öffnet sich dem gemeinschaftlichen Leben und Austausch, dem Feiern und dem Marktgeschehen, Kommerz und Kultur, Verdienst und Vergnügen.
Alberto Kaas
Wohl(der)Geruch der Zuneigung Gottes
(von Pastor Alberto Kaas)
Lüftungsfragen spielten bei Kirchbauten früher wohl eher eine untergeordnete Rolle. Uns hat die Schwierigkeit, daß sich die Pella-Kirche nicht ausreichend belüften läßt, in der zurückliegenden Phase der Pandemie sehr beeinträchtigt. Nun kehren wir mit unseren Gottesdiensten am 27. März zurück in die Kirche. Hoffen, daß viele wieder ‘hereinschnuppern’, denen zuvor die ‘dicke Luft’ nicht ganz geheuer war. An die Bedeutung des Stallgeruchs haben mich diese Erlebnisse erinnert:
Die freundliche Buchhändlerin will mir einen Roman schmackhaft machen: Er spielt um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Ein Handwerksbursche ist auf dem Wege nach Hause, nach Böhmen.
Spät abends sucht er einen Platz zum Schlafen. Er geht in ein Gebäude, bei dem es sich seiner Meinung nach um eine Kirche handeln muß; legt sich dort auf einer Bank nieder, wobei er sich nur wundert, daß es an dem Ort ganz ungewöhnlich riecht – so gar nicht nach Kirche.
Am nächsten Morgen wird ihm klar, was ihn beim Niederlegen befremdet hatte. In diesem Raum ausgebreitet ist der Geruch von Freiheit: Der Handwerksbursche hatte in der Frankfurter Paulskirche1 übernachtet.
Soll das ein Gegensatz sein: Kirche und der Geruch von Freiheit? Was meint die Romanschreiberin, wie eine Kirche eigentlich riecht? Es wird wohl nicht der Duft des Weihrauchs gewesen sein, den ihr Mann aus dem Volke vermißt hatte.
Später entsann ich mich dessen, daß mich mein Vikarsvater eines Sonntagnachmittags mit in die Kirche genommen und mich dabei gefragt hatte: »Alberto, riechst du es?« — »Es riecht nach Gemeinde!«
Darauf wollte er mich aufmerksam machen. Noch lag in der Kirche der Geruch von Menschen, ihrem Atem und ihrem Schweiß. Der Duft von Parfüm und Bonbons, Ausdünstungen der Kleidung, der Geruch von Schuhcreme standen noch im Raum. Er konnte sie gut riechen, seine Gemeinde.
Über der Gemeinde ausgebreitet liegt der Wohlgeruch der Zuneigung Gottes. Man sollte es wieder tun: vermehrt diesen Duft schnuppern!
1 Die Paulskirche war die evangelisch-lutherische Hauptkirche der Stadt Frankfurt am Main. Hier tagten von 1848 bis 1849 die Delegierten der Frankfurter Nationalversammlung, der ersten Volksvertretung für ganz Deutschland. Seit 1948 dient sie als politische Gedenkstätte sowie als Versammlungsort für besondere Festakte und bedeutende Preisverleihungen. Wie kein anderer Ort symbolisiert die Frankfurter Paulskirche bis heute das Streben der deutschen Nation nach nationaler Einheit und demokratischer Freiheit. (Schreibt der Deutsche Bundestag)
09.03.2022
Über den Gräbern
Bild: ElisabethMatzke
Über den Gräbern in der Oldendorfer Totenstatt stand auch in diesem Jahr am Tage Christi Himmelfahrt erneut ein Birkenkreuz aufgerichtet. Heinrich Matzke hat es wieder beigesteuert zu unserem Ökumeni-schen Gottesdienst, den wir unter dem offenen Himmel und über den offenen Gräbern feiern. ElisabethMatzke hat das Bild aufgenommen. Es nimmt einen mit, es rührt an. Warum nur?
Auch wenn die Sonne sich zunächst nicht zeigen wollte an diesem Maimorgen, lag doch keine Novemberstimmung über dem Himmel-fahrtstag, wie sie das tut, wenn wir am Ewigkeitssonntag uns auf den Friedhöfen einstellen, um über den Gräbern die Auferstehungshoff-nung auszubreiten mit dem Spiel derPosaunenchöre.
Das Erstaunen, was uns berührt, kommt sicher von der überwältigen-den Massivität der Steine, welche für dies Großsteingräber herange-schafft werden mußten und »verbaut« wurden. Und von den uns un-vorstellbargroßen Zeiträumen, mit denen wir es hier zu tun haben. Nicht ohne guten Sinn trägt die Ausstellung im nahegelegenen Mu-seum den Titel »Wohnungen für dieEwigkeit – 5700 Jahre Oldendorfer Totenstatt«.
Wie übermächtig und beinahe wirklich ewigkeitsgesättigt wirken die Steine im Vergleich zum nahezu zarten und vergänglichen Gebilde des Birkenkreuzes, das wir nur anlaßbezogen hier aufrichten, um hinterher zurückzukehren in unsere schützenden Häuser – die doch nur Wohnungen auf Zeit sind – mit einem festen Dach über dem Kopf.
Die Steine haben die Jahrtausende überdauert, die »Natur« hat ih-nen weniger anhaben können als der Mensch, der aus unterschiedli-chen Gründen eingegri!en hat in diese Anlage, die Ruhe der Toten nicht achtend.
Fast mit einem leichten Gefühl des Unbehagens und einer stillen Bit-te um Erlaubnis, hier an diesem Ort sein zu dürfen, betreten wir immer wieder den Platz. Es hat auch einer von uns einmal angefragt und da-rum gebeten, daß ein Wort dazu gesagt werden möge, ob es denn statthaft sei, hier in der Oldendorfer Totenstatt Christi Himmelfahrt zu feiern und so zu tun, als gäbe es nicht unter uns liegend eine aus-drückliche Jenseitsvorstellung und -hoffnung, über die man nicht ein-fach so hinwegschreiten könne.
Nicht Mißachtung früherer, niederer und doch so ausdrucksmächtiger Glaubensformen ist es, die uns die Leichtigkeit beschert, mit der wir uns unter dem Zeichen des Kreuzes konfessionsübergreifend über den Gräbern versammeln.
Auch nicht ein Pochen auf eigene Glaubensstärke und ein Beharren auf die bessere Qualität der Religion, der wir mit unserer Gottesdienst-feier an diesem Orts tattgeben…
Völlig ohne Überheblichkeit, doch beschwingt, weil erleichtert, daß wir keine scheinbar unverrückbaren Steine zusammenschleppen müs-sen, um dem vergänglichen Leben einen Ewigkeitsbestand abzutrot-zen, statten wir diesem Gräberfeld Jahr um Jahr unseren Feiertagsbe-such ab.
Was so schwer zu bewältigen ist, noch schwerer als derTransport der großen Steine, die eigene Sterblichkeit, lassen wir uns im Glauben ab-nehmen durch Jesus, den Herrn, der dieses anbietet: »Ich bin die Auf-erstehungund das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben,auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt anmich, der wird nimmer-mehr sterben.« (Joh 11,25f).
Das zarte Zeichen des Birkenkreuzes über den Gräbern genügt, soll es doch nur anzeigen, daß wir von der Stärke dessen leben, der sein Wort an uns gerichtet hat; wer diesen Herr in seinem Wort erfaßt, er-fährt eine Leichtigkeit des Seins, in die er beschwingt alle Kreatur einbeziehen möchte: »Erfreue dich, Himmel,erfreue dich, Erde«.
So singen wir seit Jahren im Zeichen des Kreuzes über den Gräbern … und erstatten damit dem Herrn, was an Erleichterung, Freude und Zuversicht er mit seiner Selbstanpreisung bei uns auslöst. Und kom-men alljährlich wieder in die Oldendorfer Totenstatt mit Respekt vor der Schaffenskraft damaliger Menschen –übertroffen nur noch vom Vertrauen in die uns verheißene neue Schöpfung Gottes.
Es grüßt Sie/Euch ein erleichterter P. Alberto Kaas.
Gedanken zur Jahreslosung 2019 (von Pastor Alberto Kaas)
»Suche Frieden und jage ihm nach!« (Psalm 34,15)
Die Bilder kennen wir womöglich alle aus dem Fernsehen. Ein Treppen-haus, Zimmerfluchten – oder wir blicken auf Hauseingänge: dicht gedrängt sehen wir Menschen auf Zimmersuche. Als Konkurrenten. Zumeist in den großen Städten gibt es diese Erfahrungen: Wohnraum ist ein begehrtes, ein umkämpftes Gut.
»Suche Zimmer« - zwei Wörter nur machen den Hilferuf aus, der über Wohl und Wehe entscheiden kann. »Biete Zimmer« – solch ein Angebot muß man in der Großstadt schon mit der Lupe suchen. In den Kleinanzei-gen steht davon wohl kaum etwas. Und ob es manchmal vorkommt, daß einer jemand anderem dieses Angebot ausspricht »biete Zimmer«?
Viele Menschen sind auf der Jagd nach einer Wohnung und haben das Nachsehen. Wenn das Angebot nur größer wäre! Oder ich mehr Glück hätte; mir nicht andere stets zuvorkämen!
Ob die Bilder uns einschüchtern und abschrecken? Daß wir aufgeben und uns damit begnügen die Wohnungsnot zu beklagen?
Das neue Jahr beginnt wie Weihnachten – mit Geschenken. Gott hat Frieden für uns im Angebot. Wirbt damit, daß wir Frieden bei ihm suchen sollen: »Suche Frieden und jage ihm nach!«
Vergeßt die Bilder, die ihr im Kopf habt! Laßt Euch von Unfrieden, Streit und Krieg nicht einschüchtern! Diese Jagd wird von Erfolg gekrönt sein. Für deine Friedenssuche gibt es die eine zuverlässige Adresse. Keiner kommt dir zuvor, schnappt dir weg, was du so lebenswichtig brauchst. Kampflos überläßt Gott dir seinen Frieden. So bietet es der Sohn uns an: »Meinen Frieden gebe ich euch.«
Angebote wollen nachgefragt, Geschenke entgegengenommen, entdeckt und zu eigen gemacht werden. Wie eine Wohnung bezogen wird, verwirk-licht sich der Friede Gottes, indem wir in ihn eintreten; und dann umfaßt er uns mit allem, was zu uns gehört: »…daß ich in Frieden bin mit mir und mit der Welt und auch mit dir.«
Ein herausragendes Geschenk zum Neuen Jahr!
Gebet zum Weltfriedenstag
Allmächtiger, dreieiniger Gott,
Schöpfer der Welt,
du Gott des Friedens, du willst den Frieden auf Erden.
Die Menschen, die dem Frieden dienen, sind deine Freunde.
Retter der Welt,
Jesus Christus, du Quelle des Friedens, du hast mit deinem Leiden und Sterben uns mit Gott versöhnt und Frieden gebracht.
Du leidest mit den Opfern von Gewalt und Hass.
Du bleibst bei den Verwundeten, Verzweifelten und Einsamen.
Du weinst über die, die ihre Hand zurückziehen und sich nicht versöhnen wollen. Du weinst mit den Weinenden und willst zerbrochene Herzen heilen.
Tröster der Welt,
Heiliger Geist, du Kraft des Friedens,
du gibst uns die Sehnsucht nach Frieden ins Herz. Du erleuchtest uns durch das Evangelium. Du weckst Glauben in uns.
Du verwandelst uns und machst uns neu, dass wir Menschen der Versöhnung, Menschen des Friedens sein können.
Dir klagen wir die Friedlosigkeit dieser Tage,
die vielen Kriege und ungezählten Toten.
Wir klagen dir die Hartherzigkeit derer, die Kriege beenden könnten,
und die Gier, die die Schöpfung zerstört.
Wir klagen dir unsere Unfähigkeit, Wege des Friedens zu gehen
und uns versöhnen zu lassen und wirklich Versöhnung zu suchen.
Wir bitten dich,
vereine die Menschen guten Willens, führe deine Gläubigen zusammen,
stärke den Mut, der Gewalt zu widerstehen,
zerbrich die Waffen und begeistere die Mächtigen für den Frieden.
Menschen des Friedens wollen wir sein.
Schaffe deinem Frieden Raum, in uns und durch uns,
du Gott des Friedens.
Wir bitten dich für uns und unsere Kinder,
für unsere Nächsten und diese Welt und rufen zu dir durch den, der Frieden gemacht hat, durch Jesus Christus, unsern Herrn. Amen.
Anstiftung zur Musik
Eine Feder, keinen Stift sehe ich. Und doch muss, wer andere zum Musizieren anstiften will, gute Gründe dafür nennen.
Und sogleich fallen uns viele ein. Die selber Musik betreiben, als Hobby, als Beruf, als Lebensinhalt und -aufgabe werden wohl mehr aufzählen können als die reinen Musikgenießer, oder nicht?
Als Musikliebhaber und zugleich Anstifter zum Musizieren hat Martin Luther »seine Musikauffassung in der lateinischen Skizze ‘Über die Musik’ (1530) wiedergegeben:
‘Ich liebe die Musik, auch gefallen mir nicht, die sie verdammen, die Schwärmer. 1. Weil sie Gabe Gottes und nicht der Menschen ist; 2. weil sie die Seelen fröhlich macht, 3. weil sie den Teufel vertreibt; 4. weil sie unschuldige Freude macht. Dabei vergehen Zorn, Begierden, Hochmut. Den ersten Platz gebe ich der Musik nach der Theologie. Das ergibt sich aus dem Beispiel Davids ... 5. Weil sie in der Friedenszeit herrscht ... Ich lobe die Fürsten Bayerns deshalb, weil sie die Musik pflegen. Bei uns Sachsen werden Waffen und Bombarden gepredigt.’« (aus: „Kirche klingt“. EKD Texte 99)
Die Sachsen haben seit Luthers Zeiten freilich enorm aufgeholt, ja sogar die Bayern überholt, wenn man nach der Anzahl der Musiker-museen geht, die es heutzutage in beiden Freistaaten gibt.
Über die kirchenmusikalischen Feste und unsere besonderen musikalischen Gottesdienste dieses Jahres hinaus mag vielleicht ein Angebot der Sprengelkantorin Antje Ney in unseren Gemeinden für Anstiftung zum Musizieren sorgen. Wir überlegen, welche Einsatzmöglichkeiten eine Praktikantin und eine FSJlerin bei uns finden können. Haben also die Feder neu getränkt, damit die Kirche sich auszeichne durch Musik, »weil sie Gabe Gottes und nicht der Menschen ist«.
Stifter sind willkommen!
Es grüßt Sie/Euch Alberto Kaas, P.
Andacht zum 2. Brief an die Korinther, Kapitel 3, Vers 17
(gehalten am 11. März 2016 bei der Jungen Erwachsenenfreizeit in Heidelberg)
Eine Freundin von mir ist heute zu Besuch gekommen und wird ein paar Tage bei mir wohnen. Und wie das so ist als ordentliche Gastgeberin, habe ich den Vormittag damit verbracht, mein Zimmer aufzuräumen. Ich habe das Geschirr abgewaschen, den Müll rausgebracht, den Fußboden gefegt und gewischt und das Bad geputzt. Das Bad zu putzen dauerte am längsten. Wahrscheinlich, weil das meiste im Badezimmer weiß ist – und es bei allen weißen Sachen immer schwierig ist, sie sauber zu halten oder sauber zu machen. Glücklich und zufrieden war ich erst, als ich beim letzten Punkt auf der Badputzliste angekommen bin: dem Spiegel.
Den Spiegel zu putzen macht mir eigentlich Spaß, aber trotzdem bin ich immer etwas zwiegespalten. Einerseits ist es schön, wenn alle Punkte und Striche, die sich auf dem Spiegel angesammelt haben verschwinden, andererseits sieht man auch wieder die ganzen nicht so schönen Dinge. Augenringe am Morgen und sowas. Der Spiegel spiegelt, wie ich aussehe. Wie ich auf andere wirke. Wie andere mich sehen. Und auch ein Stück weit, wie ich mich selbst sehe.
2Kor 3,17 (Neue Genfer Übersetzung)
[Der] Herr aber ist der Geist […]. Und wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. Ja, wir sehen mit unverhülltem Gesicht die Herrlichkeit des Herrn. Wir sehen sie wie in einem Spiegel, und indem wir das Ebenbild des Herrn anschauen, wird unser ganzes Wesen so umgestaltet, dass wir ihm immer ähnlicher werden und immer mehr Anteil an seiner Herrlichkeit bekommen. Diese Umgestaltung ist das Werk des Herrn; sie ist das Werk des Geistes.
Paulus spricht hier davon, dass wir wie in einem Spiegel die Herrlichkeit des Herrn sehen. Was ist damit gemeint? Was ist das für ein Spiegel, wenn wir durch ihn Gott in seiner ganzen Majestät und Herrlichkeit sehen können? Mein Spiegel im Badezimmer kann damit wohl nicht gemeint sein, denn Gott habe ich darin noch nie gesehen.
Gott sehen – das funktioniert nicht durch irgendwelche Gegenstände wie Spiegel, Fernglas oder Mikroskop. Gott sehen können wir nur in und durch Jesus Christus. Jesus ist unser Spiegel. Der Spiegel, in dem wir Gott sehen können. Spiegel dienen jedoch nicht nur dazu, etwas zu sehen und zu erkennen, sondern sie haben auch noch eine ganz andere Eigenschaft. Ein Spiegel hat immer auch eine rückwirkende Funktion. Wenn ich in den Spiegel gucke, verändere ich meinen Blick auf mich selbst (mal zum besseren – oh, meine Haare liegen ja schön heute; mal zum schlechteren – hm, meine Augenringe sind noch tiefer als befürchtet…). So ist es auch, wenn Jesus der Spiegel ist. Wenn ich Jesus anschaue, mich mit ihm beschäftige, verändert sich mein Wesen. Ich lerne mich selbst so zu sehen, wie Gott mich schon immer gesehen hat. Ich werde von ihm umgestaltet. Ich werde ihm ähnlicher.
In dieser Umgestaltung liegt meine Freiheit. Ich werde frei von dem Zwang, mich permanent für Gott attraktiv machen zu müssen – denn er selbst gestaltet mich so, wie er mich haben will. Gottes Geist wirkt in mir. So bekomme ich immer mehr Anteil an Gottes Herrlichkeit. Gott schenkt mir die Freiheit, nicht so bleiben zu müssen, wie ich bin. Auch wenn ich von der Umgestaltung in meinem Inneren oft nicht viel in meinem Badezimmerspiegel sehen kann, bin ich gewiss, dass jedes Mal, wenn ich in den Spiegel schaue – Jesus auf mich zurücksieht. Und das ganz ohne lästige Punkte und Striche, sondern glasklar – mitten ins Herz. Er sieht mich wie ich bin. Und er sieht mich, wie Gott mich sieht. Darum putzt er meinen Spiegel – damit ich die Freiheit erkennen kann, die sein Geist jeden Tag neu in mir wirkt.
Andacht zum Evangelium nach Markus, Kapitel 1, Vers 35
Am Morgen, noch vor Tage, stand Jesus auf und ging hinaus. Und er ging an eine einsame Stätte und betete dort.
Das war ein anstrengender Tag. Dutzende Menschen mit akuten Verletzungen und alle mussten praktisch gleichzeitig versorgt werden. Das zerrt an den Nerven. Jeder braucht besonders viel Aufmerksamkeit. Diese Situation kennen wir aus den Nachrichten. Die Flüchtlinge aus Syrien und anderen Ländern sind auf Hilfe angewiesen. Nahrungsmittelversorgung, Kleidersammlung, Unterkunftsverteilung… In eine ganz ähnliche Lage sind auch Jesus und seine Anhänger schon vor 2000 Jahren geraten. Jesus lehrte morgens in der Synagoge, kehrt danach im Haus des Simon ein, heilt die Schwiegermutter des Gastgebers von tödlichem Fieber und schon kommen sie. Scharen von Kranken und Besessenen. Alle kommen zu Jesus und bitten um Heilung. Und Jesus heilt. Den ganzen Abend ist er damit beschäftigt, den Kranken zu helfen und böse Geister auszutreiben. Erst spät sind die meisten Menschen versorgt.
Am nächsten Tag steht Jesus früh auf. Schon vor dem Sonnenaufgang. Natürlich sind noch Kranke da, aber Jesus zieht sich zurück. Gerade dann, wenn besonders viel zu tun ist, geht Jesus in die Einsamkeit. Viele Stimmen reden auf ihn ein und sagen, was jetzt zu tun ist. Doch Jesus interessiert sich nur für eine Stimme. Er bittet im Gebet um Gottes Weisung. Er vertraut darauf, dass Gott eingreift, wenn die Lage zu schwierig wird, um sie bewältigen zu können. Gott schenkt Mut, neu aufzubrechen und da zu helfen, wo Hilfe dringend gebraucht wird. Daran dürfen wir uns auch erinnern, wenn uns die Versorgung der Flüchtlinge über den Kopf zu wachsen droht. Jesus Christus hat uns durch seinen Tod am Kreuz die Freiheit geschenkt, Herr und Diener zu sein. Entscheidungen zu treffen, Herr zu sein über die Dinge und anderen selbstlos zu helfen, wie Jesus es getan hat. Vor der Notsituation anderer Menschen nicht die Augen zu verschließen und dort zu helfen, wo wir können, ist Gottes Auftrag an uns. Doch wichtiger ist, bei all unserem Tun (und auch Nicht-Tun), im Gespräch mit Gott zu bleiben und auf seine Weisung zu vertrauen.
"Gott, lass meine Gedanken sich sammeln zu dir. Bei dir ist das Licht, du vergisst mich nicht. Bei dir ist die Hilfe, bei dir ist die Geduld. Ich verstehe deine Wege nicht, aber du weißt den Weg für mich. "
nach dem Gebet von Dietrich Bonhoeffer
Andacht zum Evangelium nach Markus, Kapitel 3, Verse 13-17
Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe. Aber Johannes wehrte ihm und sprach: Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir? Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt geschehen! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da
ließ er‘s geschehen. Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen. Und siehe, eine Stimme vom Himmel herab sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
Es kracht, es donnert, es blitzt. Wenn man keinen Blick aus dem Fenster geworfen hätte, hätte einem wohl das Gewitter des Jahrhunderts vor Augen geschwebt. Aber an Silvester ist wohl alles anders. Uns sind die Bilder noch im Kopf. Grelle Lichter am Himmel, gepaart mit donnerndem Getöse. Egal ob im heimischen Wohnzimmer oder mitten im Geschehen – entziehen konnte sich dem Spektakel wohl kaum einer.
Wie war das wohl für Jesus, den Sohn des Zimmermanns Josef? Er lässt sich taufen – genauso wie so viele zu der Zeit. Und genau in dem Moment, als er aus dem Wasser auftaucht, öffnet sich der Himmel und er hört eine Stimme von oben herab. So etwas hat sicher keiner jemals vorher gesehen. Auch Jesus nicht. Hat er sich gefürchtet?
Die Raketen an Silvester sind für uns in der Regel nichts Ungewöhnliches mehr. Wir können nachvollziehen, von wem sie abgefeuert wurden. Auch an die Lautstärke haben wir uns gewöhnt, die das neue Jahr einläuten soll. Erschreckend wird es für uns erst, wenn wir nicht sicher sagen können, wo Erscheinungen am Himmel ihren Ursprung haben. Wenn Stimmen scheinbar aus dem Nichts kommen. An diesem Punkt sind wir Menschen mit unserem, von der Aufklärung geprägten Verstand, alle gleich. Wir neigen dazu, alles erklären zu wollen. Doch wenn Gott sich offenbart – vom Himmel herab – ist jeder menschliche Erklärungsversuch aussichtlos. Das macht uns Angst.
Vielleicht liegt darin begründet, weshalb Gottes Geist wie eine Taube über Jesus kommt. Gott kommt nicht mit Blitz und Donner, sondern mit einem Flügelschlag. Die Taube als Symbol des Friedens trägt die Liebe des Vaters zu seinem Sohn Jesus Christus. Ganz leise zeigt Gott mit dem Finger von oben herab auf Jesus. Auf den Jesus, der sich trotz aller Angst und Widerstände seiner Aufgabe als Sohn Gottes gestellt hat. Auf den Jesus, der seinen Weg mit uns auf dieser Welt gegangen ist. Wenn wir nun in das neue Jahr gehen, dürfen wir uns auf Jesus als unseren Wegbegleiter in dieser Welt verlassen. Wir dürfen mit dem Finger auf den zeigen, der diese Welt überwunden hat.